Saitenblicke mit dem Barockorchester Il Prete Rosso

Ein sich lohnender Saitenblick

«Konzerte in Rehetobel» mit dem Orchester Il Prete Rosso sowie Musik von Johann Sebastian Bach und Jean-Marie Leclair.

Martin Hüsler

Das Ostschweizer Il Prete Rosso Barockorchester hat kürzlich in der evangelischen Kirche Rehetobel mit Musik aus dem Jahrhundert ein in grosser Zahl erschienenes Publikum zu begeistern gewusst. Im Mittelpunkt des Konzertes stand die Violine als Soloinstrument.

Beziehungsreich angekündigt als «Saitenblicke» wurde der Abend mit dem Ostschweizer Barockorchester unter Andreas Westermann zu einem ­Genuss. Mit der Verpflichtung dieses Ensembles hatte die ­veranstaltende Lesegesellschaft Dorf Rehetobel eine glückliche Hand. Il Prete Rosso richtete den Fokus fast ausschliesslich auf Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach (1685–1750) und Jean-Marie Leclair (1697–1764).

Tür zu neuer Klangwelt geöffnet

Dass ein Konzertabend, bei dem Johann Sebastian Bach eine ­gewichtige Rolle spielt, per se Labsal bedeutet, bedarf kaum näherer Begründung. Das seit 2017 bestehende Kammerensemble ermöglichte aber auch einen Seitenblick auf den französischen Komponisten und Geigenvirtuosen Jean-Marie Leclair, der kaum je in den ­Konzertprogrammen auftaucht. Nachdem man nun Kostproben seines Schaffens serviert bekam, darf getrost festgestellt werden: Es lohnt sich, Musik von Leclair zu hören. Das erschloss sich einem schon in der Ouvertüre zu seiner einzigen Oper «Scylla et Glaucus».

Die Einleitung mit zunächst hell sich aufschwingenden Tonfolgen, abgelöst von einer kurzen fugierten Zwischensequenz und einer Fortsetzung in straffem Vorwärtsdrang lässt das bestürzende Ende des Werks noch kaum erahnen. Das im Stehen musizierende Ensemble nahm sich der Komposition in fühl- und sichtbarer Spielfreude an, wie denn überhaupt die ganzen anderthalb Konzertstunden davon geprägt waren.

Im Konzert in a-Moll für Violine, Streicher und Basso continuo gab Il Prete Rosso der Zuhörerschaft später dann erst recht Gelegenheit, in Leclairs Welt einzutauchen und seiner unbestreitbaren Meisterschaft gewahr zu werden. Der Solopart war bei Christine Busch in vorzüglichen Händen. Das ist mit Blick auf ihren Werdegang auch nicht weiter verwunderlich. Wer im Wiener Concentus Musicus, beim Chamber Orchestra of Europe und beim Freiburger Barockorchester musiziert hat, braucht sich bezüglich der spielerischen Qualitäten nicht mehr zu rechtfertigen. Das Orchester tat das, was es in einem Instrumental-konzert zu tun hat: Es nahm sich vornehm zurück und war der Solistin die dezidiert begleitende Stütze.

Wovon man nie genug bekommen kann …

«Man kann von ihrer Schönheit nie genug sagen.» Der Satz stammt vom deutschen Musikforscher Johann Nikolaus Forkel und gilt den Nummern 1041 und 1043 aus dem Bach-Werke-Verzeichnis (BWV). Das sind das Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo a-Moll sowie das Konzert für zwei Violinen, Streicher und Basso continuo d-Moll. Wie recht Forkel doch hatte!

Und wie sorgsam liess die Solistin Christine Busch zusammen mit dem Orchester im ­Konzert in a-Moll diese Schönheit doch erstrahlen. Besonders geglückt schien uns hier das ­Zusammenwirken im Mit­telsatz. Im Konzert in d-Moll fügte sich Oliver Meier mit der zweiten Sologeige nahtlos und absolut gleichberechtigt ins musi­kalische Geschehen ein. In alle Verästelungen hinaus lotete Il Prete Rosso das Werk aus, die Tempi akkurat dosierend. Wunderbar die von Frieden geprägte Stimmung, die es im Largo ma non tanto erstehen liess.

Einbezug von Blockflöten

Den Abschluss bildete das Brandenburgische Konzert G-Dur Nr. 4 (BWV 1049), vom Charakter her einem Violinkonzert gleichend. Hier hat Bach die Besetzung um zwei Blockflöten erweitert.

Michaela Schuster und Lydia Walka ergänzten mit Altblockflöten das Streicherensemble. Sie liessen in überzeugender Weise erkennen, welch dankbare Möglichkeiten sich jenem Instrument eröffnen, das sehr zu Unrecht etwas in der Ecke steht. Christine Busch war wieder die Solo-Violine anvertraut. ­Einprägsam das Wechselspiel zwischen Flöten und Streichinstrumenten im Andante. Die Wiedergabe verriet allseits Virtuosität und gedieh zu schönster Vollendung.

Mächtiger und hochverdienter Applaus erwirkte eine Zugabe. Es kam aber nicht Antonio Vivaldi zu Ehren, was angesichts des von ihm hergeleiteten Orchesternamens («Il Prete Rosso» gleich «Der rote Priester») ­nahegelegen hätte, sondern nochmals der dritte Satz aus dem Brandenburgischen Konzert.

Aus dem E-Paper Appenzeller Zeitung vom 30.08.2023