Wenn die Orgel mit der Oboe…
Ungewohntes Instrumenten-Duo bei „Konzerte in Rehetobel“
Andreas Bischoff mit Englischhorn und Oboe, Wolfgang Sieber an der Orgel – im Zusammenspiel als Duo Angelis ergab das in der reformierten Kirche Rehetobel am vergangenen Sonntagabend eine Konzertstunde, die in ihrer Einmaligkeit der Hundertschaft an Zuhörenden in bester Erinnerung bleibt.
Für Andrea Bischoff war es quasi ein Heimspiel. Sie, die seit 1997 als Solo-Oboistin im Sinfonieorchester Luzern spielt und danebst an der Hochschule Luzern unterrichtet, ist in Rehetobel aufgewachsen. Wolfgang Sieber stammt aus dem Toggenburg, war fast dreissig Jahre Organist an der Hofkirche Luzern und „wirkt als dynamischer Grenzgänger und publikumsnaher Charismatiker mit der Orgel“ wie ihn der Programmzettel der veranstaltenden Lesegesellschaft Dorf Rehetobel ankündigte.
Über das Sein sinnieren
Dieses Grenzgängerische kam im Programm reichlich zur Geltung. Gustav Mahler (1860-1911) beispielsweise bringt man ja nicht unbedingt mit Orgel in Verbindung. Wolfgang Sieber arrangierte drei der fünf Rückert-Lieder, woraus sich eine stimmige Darbietungsform für das Duo ergab. Sie gäben Anlass, über das Sein zu sinnieren, unterlegte er das Musikalische mit einer kurzen Reflexion. Im Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ war man schon nach dem ersten Intervall ganz bei Mahler in seiner Unvergleichlichkeit. Andrea Bischoff wählte hier das Englischhorn, dem Klagenden und Wehmutvollen damit die nötige Tiefe vermittelnd. In „Blicke mir nicht in die Lieder“ und „Liebst Du um die Schönheit“ kam die Oboe zum Einsatz, etwas forscher im zweiten, lieblich und einschmeichelnd im dritten Rückert-Lied.
Siebers Eigenkompositionen
Mit „Ondreo“, 2021 entstanden, und „Bäretatze“ (2022) kam die Zuhörerschaft in den Genuss von Sieber’schen Eigenkompositionen. Ein schmissiger Beginn führte rasant in das aus diversen musikalischen Elementen bestehende, stark rhythmisierte und durchaus auch mit schrägen Tönen angereicherte „Ondreo“ hinein. Es wurde in der Folge jazzig, bluesig und lüpfig, bis hin zu einem regelrecht frechen Schluss. Mit „Bäretatze“, komponiert für eine Berner Tanzgruppe, ward gleichermassen dem Berner Wappentier wie dem Alten Berner Marsch die Reverenz erwiesen. Mit Gebrumm tapste der zottige Kerl daher, von der Orgel plastisch nachgezeichnet und von der Oboe trefflich ergänzt. Auf improvisatorischen Wegen kam das Duo schliesslich munter zum „Trämm, trämm, trädiridi…“ des Alten Berner Marsches – und erntete viel Schmunzeln dafür.
Ravel und Piazzolla
Umrahmt waren Siebers Kompositionen von Auszügen aus Maurice Ravels (1875-1937) „Tombeau de Couperin“ und von Werken Astor Piazzollas (1921-1992). Aus der Ravel’schen Orchestersuite wählte das Duo die beiden tänzerischen Sätze „Menuet“ und Rigaudon“. Den Charakter im zurückgenommen wirkenden „Menuet“ und im kräftigeren „Rigaudon“ arbeiteten Andrea Bischoff und Wolfgang Sieber sehr schön heraus. Dazu gab es mit „Pièce en forme de Habanera“ einen Abstecher in feurige Gefilde. Und gar zu einer Reise auf die südliche Halbkugel brachen sie auf mit drei Stücken von Astor Piazzolla. Das sanft ausklingende „Oblivion Milonga“ und „Ave Maria“, Musik in Gebetsform gewissermassen, leitete hier über zu „Libertango“, das in ein Gewitter an der Orgel mündete. Viel Beifall belohnte die beiden Interpretierenden.