Gustav Mahlers 9. Sinfonie: Intime Sternstunde bei «Konzerte in Rehetobel»
Gustav Mahlers 9. Sinfonie ist ein aussergewöhnliches Musikwerk. Es wurde am 2. Dezember in der Kirche Rehetobel in herausragender Weise zur Aufführung gebracht – vom international zusammengesetzten Ensemble Onyx, einem 16-köpfigen Kammerorchester um Dimitri Ashkenazy (1. Klarinette), Simone Zgraggen (1. Violine) und Martin Roos (1. Horn). Nach einem Dirigenten suchte man vergeblich. Das Ensemble Onyx musiziert mehr wie eine Band als wie ein Sinfonieorchester, ist untereinander vielfach freundschaftlich verbunden. Die Musikerinnen und Musiker, alles ausgewiesene Solisten, suchten immer wieder gegenseitigen Augenkontakt. Das trug wohl bei zu Klarheit und Dynamik, die diese Aufführung auszeichneten.
Der heftige Schneefall führte dazu, dass das Publikum eher klein blieb. Wer trotzdem den Weg auf sich genommen hatte, erlebte eine intime Sternstunde: 90 Minuten Musik, die so aufwühlend waren, dass sie auch als Kommentar zur Gegenwart gelesen werden konnten. Die 9. Sinfonie vollendete Mahler kurz vor seinem Tod im Jahr 1911. In ihr sind alle Widersprüchlichkeiten und Gegensätze der Welt und der Existenz vereint, die Zärtlichkeit, zu der der Mensch fähig ist, das Fröhliche und das Chaotische, die Eskalation von Gier und Gewalt. Mahler war ein Suchender. Auch ein Gottessucher. Einer, der mit der Sinnlosigkeit rang. Eine Grundstimmung im Werk ist die Ungewissheit, gemildert durch einen spirituellen Klang, der musikalisch eine Art Grundvertrauen zum Ausdruck bringt.
Anita Kast und Hanspeter Spörri